Trifft man auf Fikret Zendeli, hat man zunächst erst einmal einen soliden Unternehmer vor sich. Der charismatische 39-jährige studierte Bautechniker leitet im mazedonischen Skopje das von ihm gegründete Ingenieursbüro Breon. Als Anbieter für Bau- und Konstruktionsplanung setzt die Firma innovative Planungstools wie dreidimensionale Bauwerksmodellierung ein und ist über die Landesgrenzen hinaus erfolgreich.
Weniger solide klingt da schon, was Zendeli seinen Mitarbeitern an vier Freitagen im Jahr gestattet: blau machen auf Firmenkosten. Besser gesagt: Er gibt ihnen (und sich) frei, um statt für das eigene Unternehmen für andere Menschen da zu sein. Dann pflanzen die Breon-Angestellten zum Beispiel Bäume, kochen für Obdachlose oder basteln mit Waisen- und Heimkindern. Es geht um Social Impact – unschätzbar in einem Land, in dem viele Bewohner unter äusserst schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen leben.
„Social Friday“ ist eine Initiative, die Unternehmen dazu animiert, unproduktiv genutzte Freitage für soziales Engagement zu verwenden. Der Gründer Fikret Zendelis, selbst erfolgreicher Unternehmer, hat sie als Antwort auf inneffizientes Zeitmanagement konzipiert. Das Motto: „Nutze deine Zeit besser, indem du sie nicht nur für dein Unternehmen, sondern auch für das Wohl der Gesellschaft einsetzt.“ Wird das umgesetzt, kann regelmässig wiederholtes soziales Engagement zum Teil der Unternehmens-DNA werden – eine win-win-Situation für Wirtschaft und Gesellschaft.
Eine Antwort auf die zeitliche Ineffizienz von Mitarbeitern
Zendeli hat diese blauen Freitage „Social Friday“ getauft. Er darf das – denn er hat sie erfunden. Sie sind seine Antwort auf die unendliche Teammanagement-Herausforderung, Zeitineffizienz im Arbeitsalltag abzubauen. In Worten ausgesprochen lautet sie „Nutze deine Zeit besser, indem du sie nicht nur für dein Unternehmen, sondern auch für das Wohl der Gesellschaft einsetzt.“
Genau daraus entwarf Zendeli ein innovatives Geschäftsmodell. Es integriert als festen Unternehmensprozess die regelmässige Beteiligung seines Teams an gesellschaftlich nützlichen Aktivitäten. Mittlerweile ist es fest etabliert – und zur Social Friday Initiative gewachsen, der sich immer mehr Unternehmen anschliessen. Sie ruft jährlich vier fest definierte Freitage aus, an denen Firmen sich mit Hands-on-Mentalität gesellschaftlich engagieren.
Mitarbeiter-Konzentration dort nutzen, wo sie freitags ist
In der Tat ist der Freitag dafür geradezu prädestiniert. Studien zeigen, dass er rein wirtschaftlich gesehen der mit Abstand unproduktivste Wochentag ist. Das liegt am verfrühten mentalen Start ins Wochenende, sozusagen am Planen von After-Work-Drinks statt der Konzentration auf In-Work-Projects. Die Gedanken sind sozusagen nicht mehr im Unternehmen, sondern ausserhalb. Und dort, so weiss Zendeli, lassen sie sich besser nutzen.
Dass Zendeli dabei an hilfsbedürftige Menschen denkt, liegt auch an seinem Vater. Er prägte ihn altruistisch, unter anderem mit dem Grundsatz „Etwas zu haben und es nicht zu teilen, ist keine Freude.“ Verstärkt wurde der Drang, Gutes zu tun, als Zendeli – als Kind mazedonischer Eltern in der Schweiz aufgewachsen – 2004 erstmals längere Zeit in Mazedonien verbrachte. Er erlebte die Bedürftigkeit der sozial Schwächsten in einem Waisenhaus. Und er erkannte, dass Hilfe für sie und andere dann am besten wirken kann, wenn sie nicht nur punktuell, sondern regelmässig kommt. Der Samen des Social Friday Gedankens war gepflanzt.
Soziales Engagement wird Teil der Unternehmens-DNA
Heute ermuntert die Social Friday Initiative Unternehmen in verschiedenen europäischen Ländern zu mehr sozialem Handeln. Ihr eigentliches Meisterstück ist aber, ausgerechnet die am wenigsten produktive Zeit im Unternehmenszyklus in sehr produktive Zeit für soziale Projekte zu verwandeln. Im Ergebnis wird dadurch nicht weniger als das versteckte Potenzial von Freitagen offengelegt.
Damit hat Fikret Zendelis kühne Vision, dass die Wirtschaft der Zukunft für mehr steht als nur stramme Quartalszahlen, gute Chancen. Werden sie ergriffen, kann die regelmässigen Wiederholung von sozialem Engagement zum Teil einer Unternehmens-DNA werden.
Da bekommt der Ausruf „Thank God, it’s Friday“ glatt eine ganz neue Bedeutung.
Interview mit Fikret Zendeli
HudsonGoodman: Was bedeutet Innovation für Dich?
Fikret Zendeli: In der Gegenwart Lösungen für die Zukunft zu antizipieren. Dann konzentriert sich die Arbeit darauf, diese Lösungen zu realisieren und damit Fortschritt für unsere Umwelt zu generieren.
In welchem Bereich gibt es Deiner Meinung nach heute einen Bedarf an echten Innovationen?
Überall da, wo offline das Miteinander gestärkt werden kann. Der Fokus von Innovationen liegt meist stark auf Technologie. Man übersieht oft, dass wir Menschen soziale Wesen sind. Unsere Gesellschaften werden isolierter und altern stärker. Zwischenmenschliche Interaktionen sind aber ein absolutes Muss für die gesunde Entwicklung der Gesellschaft. So wichtig die Gesundheit der Wirtschaft und Technologie für den Fortschritt auch sind: Die menschliche Gesundheit ist die Voraussetzung für alles. Der Mensch sollte darum immer an erster Stelle stehen!
Wenn Unternehmen ihr Engagement für Inklusion, Nachhaltigkeit oder soziales Wohl öffentlich thematisieren, sehen sie sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt, einfach nur populär sein zu wollen oder Greenwashing zu betreiben. Wie ist Deine Sicht dazu?
Ich kann diese Sorge gut verstehen, weil ich selbst mit solchen Aussagen konfrontiert werde. Jeder hat aber das Recht auf eigene Überzeugungen und auch darauf, diesen zu folgen, ohne sich von Kritik aufhalten lassen. Es gibt umfangreiche und ständig wachsende Literatur darüber, wie vorteilhaft soziales Wohl für unsere Gesellschaft sein kann. Gutes zu tun und öffentlich darüber zu reden, ist allemal besser, als gar nichts zu tun und darüber zu schweigen.
Welche Rolle kann Social Friday dabei spielen, sich zu engagieren?
Social Friday-Veranstaltungen sind von grosser Bedeutung, weil sich dort Menschen für einen guten Zweck treffen und viele entscheidende Fragen angesprochen werden können. In Zeiten, in denen sich unsere Gesellschaften verändern und die gesellschaftlichen Herausforderungen immer grösser werden, ist dabei eine optimistische Einstellung gefragt, und glaubt mir: Bei diesen Veranstaltungen wird sehr viel positive Energie erzeugt!
Zeit wird mehr und mehr zur ultimativen Ressource: Wir wollen sie effizient nutzen, das Beste daraus machen, sie nicht verschwenden. Da scheint es sinnvoll, einen Teil dieser Ressource an die Menschen zurückzugeben, denen sonst zu wenig davon gewidmet wird. Würdest Du Initiativen wie Social Friday künftig darum gern als verpflichtend für Unternehmen sehen?
Nichts ist kostbarer als Zeit: Kein Geld der Welt kauft auch nur eine Sekunde zurück, die vergangen ist. Ich persönlich habe aber dennoch etwas gegen "obligatorische Pflichten". Was mich an Social Friday begeistert, ist die Frage: Wie schaffen wir auf freiwilliger Basis ein 'Produkt', das soziales Engagement oder Miteinander zu einem 'Lifestyle' macht? Menschen sollten freiwillig bereit sein, Gutes zu tun. Nur so kann es Teil unseres Wirtschaftssystems werden. Gutes zu tun sollte gefeiert und nicht als Verpflichtung angesehen werden.
In den letzten Jahrzehnten haben das Interesse und die Forschung in Bezug auf körperliche Gesundheit und in jüngster Zeit auch auf psychische Gesundheit zugenommen. Glaubst Du, dass soziale Gesundheit der nächste grosse Agenda-Punkt wird?
Es ist ein Muss, soziale Gesundheit auf die Tagesordnung zu setzen. Allein schon aus Eigeninteresse der Wirtschaft und ganzer Volkswirtschaften als solcher. Der Mensch kann auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn er gesund ist. Eine bessere Gesellschaft im Sinne einer gesünderen Gesellschaft bedeutet auch eine gesündere Wirtschaft. So einfach ist das.
Die Social Friday Initiative bringt seine Teilnehmer mit unterschiedlichsten NPOs und sozialen Projekten zusammen. Hast Du als Initiator persönlich ein Projekt, dass Dir ganz besonders am Herzen liegt?
Ja, "Project U?". Das ist ein Marketingwettbewerb, an dem Marketingstudenten aus aller Welt teilnehmen. Ziel ist es, Kampagnen zu entwickeln, mit denen Studenten, Organisationen und Unternehmen davon überzeugt werden können, sich am nächsten Social Friday in einem sozialen Projekt zu engagieren.
Wir arbeiten bei Hudson Goodman nach dem Grundsatz „Make no little plans“. Was bedeutet dieser Satz für Dich?
Habe ein klares Ziel und gehe es an. Auf dem Weg dorthin werden viele unbekannte Fragen auftauchen, aber keine Sorge: Sie sind die Grundlage der Antwort. Verliere die Vision nie aus den Augen und arbeite hart daran, sie zu verwirklichen. Sorge dich nicht darüber, was andere von deinem Weg halten, und verwandle jede Enttäuschung – denn ja, davon wird es viele geben – in die Motivation, es noch besser zu machen. Bei mir wirkt das Wunder. Kurz gesagt bedeutet „Make no little plans“ also für mich: Glaube an deine Fähigkeiten!
Fikret Zendeli ist CEO von Breon, einem Unternehmen, das 3D-BIM-Modelle für die Bauindustrie erstellt. Er ist ausserdem der Gründer der Social Friday Initiative. Mit ihr möchte er Unternehmen dazu inspirieren, der sozialen Verantwortung gerecht zu werden, die Unternehmertum mit sich bringt. Fikret Zendeli hat Social Friday 2021 als Speaker beim TEDxZurich Trailblazers Event vorgestellt. Seinem Vortrag folgte ein grosses regionales und überregionales mediales Echo.