Evidenzbasiertes Ideen-Testing (EID) ist nicht weniger als der Reality-Check für Innovationsideen. Es ermöglicht, reale Prototypen (als Produkt oder Service) zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit der echten Zielgruppe (anonyme Menschen statt ausgewählter Testpersonen) unter realen – beziehungsweise volatilen Marktbedingungen auszuprobieren. Die meist mit digitalen Mitteln erhobene Evidenz ermöglicht, das Potenzial der Innovationsidee realitätsnah einzuschätzen.
Um der echten Welt ein verwertbares Feedback zu entlocken, folgt evidenzbasiertes Ideen-Testing fünf Prozessschritten:
Evidenzbasiertes Ideen-Testing sorgt dafür, dass eine Innovation nicht nur mit rekrutierten, einzelnen Testpersonen in einem künstlichen Setting vonstatten geht. Hier wird die Idee in der Realität getestet: Viele unbekannte Nutzer:innen aus der Zielgruppe nutzen den Prototypen der Idee selbstständig in ihrem eigenen Kontext. So erzeugen sie Verhaltensdaten, die einer tatsächlichen Markteinführung der Idee sehr ähnlich sind.
Damit dies gelingt, stellen wir drei Testmethoden vor:
1. Die Landing Page – misst Transaktionen, zum Beispiel indem Nutzer:innen das Angebot direkt auf der Landing Page erwerben können.
2. Der Offline-Teaser – misst den Verkauf eines Angebots/Produkts in einem physischen Point of Sale.
3. Der Vergleich – misst die Interaktion mit Variationen von Merkmalen, die das Produkt umgeben (zum Beispiel Kommunikation, Bildwelt, Verkaufskanal, Farben, Verpackung).
- Aufstellen der zu testenden Hypothese
- Zugrundliegende Annahmen festlegen
- Testdesign definieren
- Testdesign implementieren und live stellen
- Testing und Datenauswertung
Im Folgenden erläutern wir die Schritte im Einzelnen.
Schritt 1 im evidenzbasierten Ideen-Testing: Aufstellen der zu testenden Hypothese
Im ersten Schritt ist für die Innovationsidee ein Narrativ zu entwickeln, aus dem sich eine zu testende Hypothese ableiten lässt. Dafür ist zu klären, welches Problem die Innovation lösen soll, inwiefern sie das schaffen kann, wie sie dabei einen Wert für Anwender kreiert und wer diese Anwender sein sollen. Das Einbeziehen der Zielgruppe ist darum hier von fundamentaler Bedeutung.
Wichtig: Die Hypothese muss sich tatsächlich testbar ausgestalten lassen.
Schritt 2 im evidenzbasierten Ideen-Testing: Zugrundliegende Annahmen festlegen
Ist die Hypothese gefunden, wird der Rahmen gesucht, in dem sich diese Hypothese in der realen Welt – beziehungsweise Praxis der Nutzer beweisen soll. Dabei geht es um grundlegende Annahmen, die das Zielgruppenverhalten bei der Nutzung des potenziellen Angebotes definieren oder beeinflussen. Welche das sind, hängt unter anderem davon ab, wie die Innovation letztlich typisiert wird: als Geschäftsmodell, Produkt, Service oder Prozess.
Im nächsten Schritt werden die Annahmen gewichtet und sortiert, um zu definieren, welche der Annahmen am aussagekräftigsten für die Verifizierung der Hypothese sind.
Schritt 3 im evidenzbasierten Ideen-Testing: Testdesign definieren
Das Testdesign zeigt auf, WAS mit WEM WIE getestet werden soll. Ein solides Design ermöglicht in diesem Sinne, die Annahmen aus Schritt 2 zu überprüfen. Im Einzelnen umfasst das Testdesign
- das strategische Ziel des Tests und entsprechende Messgrössen
- Hypothese und Annahmen (siehe Schritte 1 und 2)
- den Zeitraum/Cut-Off Trigger des Tests sowie die Grösse der Stichprobe der Zielgruppe
- die Beschreibung des Prototyps – beziehungsweise des zu testenden Angebots
- die Rollen aller Beteiligten (wer erstellt den Test, wer prüft, wer wertet aus?)
Grundsätzlich empfiehlt sich, alle Elemente des Designs schriftlich zu dokumentieren. Das gilt insbesondere, wenn man den Test, respektive das Design wiederholt nutzen möchte.
Testdesign sollte wissenschaftlichem Anspruch standhalten
Die ultimative Performance-Prüfung für das Testdesign ist die Frage, wie valide die damit erhobenen Daten wären. Idealerweise hält ihre Erhebung einem wissenschaftlichen Anspruch stand. Um das (zumindest hypothetisch) zu gewährleisten, müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden:
- Minimierung möglicher Erhebungs- und Auswertungsfehler (zum Beispiel Doppel- und Suggestivfragen, zu kleines Data Sample, kognitive Verzerrungen, statistische Irrtümer)
- Sensitivität gegenüber den Charakteristika und Lifecycle der Zielgruppe (zum Beispiel mittels evidenzbasierter Personas)
- Genaue Kenntnis der Kommunikations- und Vertriebskanäle, in denen getestet werden soll
- Transparenz in den Rollenverantwortlichkeiten und beim monetären/zeitlichen Budget
- Sicherstellung von unlimitiertem Zugang zur Datenquelle/Zielgruppe
Schritt 4 im evidenzbasierten Ideen-Testing: Testdesign implementieren und live stellen
Für das Testing mit einer potenziellen Zielgruppe empfiehlt sich das Motto „Don’t ask them what they want, do what they do!“. Gemeint ist damit die Validierung von Ideen zu marktähnlichen Bedingungen. Dazu testet man diese idealerweise mit Testmethoden, die eine unverfälschte Interaktion mit dem Protoyp der neuen Idee ermöglichen. Weil sich besonders digitale Testmethoden aufgrund ihrer Unmittelbarkeit für diese Art von Testing eignen, führen wir hier drei von ihnen auf.
Drei Testmethoden für evidenzbasiertes Testing unter marktähnlichen Bedingungen
1. Die Landing Page
Landing Pages präsentieren das zu testende Angebot, in dem sie es vorstellen und zur Interaktion einladen. Eine solche Interaktion durch Nutzer:innen wäre beispielsweise die direkte Anwendung (zum Beispiel bei einem digitalen Service). Auch die Funktion, das Angebot zu bestellen oder sich in eine Mailingliste (via Formular) für weitere Infos einzutragen, stellen mögliche Interaktionsformen dar.
Die Interaktionsmöglichkeiten müssen darauf ausgerichtet sein, aus ihnen ein tatsächliches Nutzerinteresse am Angebot ableiten zu können. Segen und Fluch ist dabei gleichermassen, dass bei ausreichend grossem Interesse das Angebot tatsächlich marktreif und verfügbar gemacht werden muss. Andernfalls droht ein Reputationsverlust der testenden Organisation.
2. Der Offline-Teaser
Im Kontrast zur digitalen Welt ist der Offline-Teaser ein realer, greifbarer, anwendbarer – beziehungsweise erlebbarer Prototyp. Potenzielle Nutzer:innen können ihn tatsächlich erwerben oder zumindest ausführlich testen. Aus diesen Handlungen (Nachfrage) kann dann das Interesse abgeleitet werden, mit dem sich die Hypothese aus Schritt 1 prüfen lässt. Nota bene: Bei dieser Testart kann das Testen eines Angebotes seiner tatsächlichen Markteinführung nahekommen. Die Definition liegt darin, wann das Innovations- oder Produktteam entscheidet, mit welchem Detaillierungs- und Perfektionsgrad es an den Markt gehen will. Wichtig ist, dass der Prototyp nur so reif ist, dass er noch «Luft zum Lernen» für die Innovator:innen aufweist, das heisst noch deutliche Detaillierung und Perfektion ermöglicht.
3. Der Vergleich
Bei dieser Test-Art wird ermittelt, wie die Veränderung einzelner Variablen die Nachfrage verändert. Dabei kann die Variable ein zu testendes Produkt oder einen Service verändern (zum Beispiel Farben, Funktionsumfang, Preis), sich aber auch auf die unterschiedliche Präsentation eines identischen Angebots beziehen.
Getestet werden kann hier also, welche Kombination von Angebot, Vertriebskanal und Kommunikationsart am besten für bestimmte Zielgruppen funktioniert. Für ein holistisches Bild erlauben Online-Tools dabei längst, gleichzeitig mehrere Variablen im direkten Vergleich abzutesten.
Schritt 5 im evidenzbasierten Ideen-Testing: Testing und Datenauswertung
Die ausgewählte Testmethode wird realisiert und los geht’s: Datenerhebung! Dazu zählen zum Beispiel Klicks auf der Landingpage (etwa unter Verwendung von Google Analytics), Einträge von Nutzer:innen in Interessenten- oder Mailinglisten (beispielsweise via Landing Page Formular) oder tatsächliche Verkäufe in Stückzahlen – beziehungsweise anhand von Geldüberweisungen.
In der Auswertung der Daten deutet sich unter dem Strich das Erfolgspotenzial einer Innovationsidee an. Es wird erkennbar, ob von der Idee ein Mehrwert ausgeht, der für die Zielgruppe relevant ist. Auf Basis der Datenauswertung sollte beantwortbar werden:
- Lässt sich die Hypothese bestätigen?
- Welche Lerneffekte zum Nutzer:innenverhalten haben wir?
- Wie beeinflusst dies das Produkt- und Innovationsmanagement?
- Lassen sich aus den Daten neue Ideen und Iterationen ableiten?
Warum es Sinn macht, Ideen evidenzbasiert zu testen, welche Schwächen herkömmlicher Test-Ansätze zeigen und warum evidenzbasiertes Ideen-Testing Mehrwert-Potenziale von Innovationen besser offenbart, findet ihr in Teil 1 der Serie. Hier geht es zu Teil 1.