„Warum tun wir das eigentlich alles?“ „Passt das überhaupt zu uns?“ Wer mit solchen Fragen einen laufenden Innovationsprozess crasht, macht sich leicht unbeliebt. Sie haben nämlich die Kraft, selbst ambitionierte Vorhaben ins Wanken zu bringen oder ihnen den Stecker zu ziehen. Der Grund: Die Antworten legen schonungslos offen, falls eine Innovation nicht zur Unternehmensstrategie passt und damit nur Selbstzweck ist.
Überraschend häufig ist genau das der Fall. Viele Innovation werden angestossen, ohne strategisch zu analysieren, ob sie Purpose-affin sind, helfen, die Erwartungen von Stakeholdern besser zu treffen und/oder einen relativen Vorteil im Vergleich zu Alternativen schaffen.
Innovationen können einen strategischen Wandel im Unternehmen bewirken, werden aber zu selten darauf abgestimmt und verlieren dann einen Teil ihres Wirkpotenzials. Um das zu verhindern, muss der angestrebte Wandel früh im Innovationsprozess geklärt werden. Welche Form des Wandels möglich und nötig ist, hängt davon ab, wie das gegenwärtige Angebot des Unternehmens in den Bereichen „Fit to purpose“ und „Relativer Vorteil“ punktet. Ausgehend davon können Innovationen entweder Wachstum, eine Strategie- oder sogar einer Richtungskorrektur des Unternehmens unterstützen.
Glückstreffer sind damit zwar möglich. Aber das ist beim Glücksspiel auch der Fall – bei weitaus geringeren Einsätzen.
Art des angestrebten Wandels frühzeitig definieren
In der Tat liegt das Problem oft darin, dass Innovationen nicht als Mechanismus zur Erreichung eines Wandels betrachtet werden. Das aber ist eine ihrer grossen Stärken – und definiert damit das Ausmass des verschenkten Potenzials, wenn man sich damit nicht beschäftigt.
So ergibt sich in Kontext von Innovationen ein klarer Auftrag: Unternehmen müssen frühzeitig im Innovationsprozess definieren, welche Art von Wandel sie damit anstreben, um den Wert ihrer Investitionen in Innovationsvorhaben zu maximieren. Dabei stehen unterschiedliche Innovationswege offen, um den strategischen Wandel und Veränderung zu meistern:
- Innovation als Wachstumstreiber (Änderung der Grössenordnung)
- Innovation zur Strategiekorrektur (Änderung der Aktivitäten)
- Innovation zur Geschäftsmodellkorrektur (Änderung der grundlegenden Ausrichtung)
Nicht zu vergessen ist: Hier geht es nicht um den Wunsch, dem eine Innovation entsprechen soll, sondern um die Notwendigkeit, der sie genügen muss. Sinnvollerweise reagiert das Innovieren nämlich auf die Stärken und Schwächen des bestehenden Angebots des Unternehmens in den Bereichen
- Fit to purpose (eine Angebotsqualität, die Erwartungen von Stakeholdern entspricht) und
- Relativer Vorteil (das Mass, in dem eine Innovation als besser wahrgenommen wird als die Idee, die sie ersetzen soll).
Wer hier gut dasteht, agiert im Innovieren anders, als eine Organisation mit Schwächen. Ein genauerer Blick auf die drei Innovationswege verdeutlicht das.
Innovation als Wachstumstreiber
Unternehmen, deren Angebot einen hohen «Fit to Purpose» und einen grossen relativen Vorteil aufweisen, können durch Innovationen ihre bestehende Ausrichtung und Wahrnehmung am Markt verbessern. Was für bestehende Kunden relevant ist und das Unternehmen unverwechselbar macht, wird strategisch fortgeführt und als Erfolgs- und Wachstumsfaktor in Innovationsvorhaben „eingepreist“. Es ist die sanfteste Form der Veränderung, die sich unbedingt an der bestehenden Dynamik des Unternehmens orientieren sollte.
Innovation zur Strategiekorrektur
Ungenügende Werte im Bereich „Fit to Purpose“ und/oder geringe relative Vorteile am Markt stellen eine besondere Herausforderung dar. Unternehmen müssen im Abgleich mit einer bisher gültigen Strategie Innovationen als Weg nutzen, diese Strategie zu korrigieren. Das Ziel: die Zweckmässigkeit von Angeboten zu erhöhen. Dabei gilt es, beispielsweise unter dem Stichwort „ReimagineActivity“ neue Unternehmensangebote (Innovationen) besser mit Erwartungen von Kunden in Einklang zu bringen. So wird die Anfälligkeit für Substitution verringert.
Innovation zur Geschäftsmodellkorrektur
Die radikalste Form des Wandels. Sie ist bei etablierten Unternehmen angezeigt, wenn eine gewählte Angebotsstrategie nicht mehr verfängt und der Ausweg nicht im angestammten Markt gefunden werden kann. Die Innovation zur Richtungskorrektur schlägt einen neuen Weg ein, der Disruption bzw. das schrittweise Besetzen und Erobern neuer Märkte anstrebt. In Anlehnung an das populäre Konzept von Chan Kim und Renée Mauborgne können diese Innovationen dann auch der Dampfer sein, auf denen ein Unternehmen von einem Red Ocean in einen Blue Ocean übersetzt und so einen unergründeten Marktraum erschliesst.
Die “Make no little plans” Perspektive
Den angestrebten Wandel zu definieren ist der erste Schritt zur Nutzensteigerung von Innovationsinvestitionen. Selbstredend muss diese Steigerung maximal ausfallen – es kann also nicht darum gehen, in Minimalzielen zu denken. Dabei darf der Begriff „Investition“ den Blick nicht auf den reinen Wert der eingesetzten oder durch Innovation erwirtschafteten Mittel verengen. Mindestens ebenso zählt der Grad an Veränderung, den eine Innovation im gesellschaftlichen Kontext bewirken soll oder kann. Seine Wechselwirkung mit dem wirtschaftlichen Erfolg des innovierenden Unternehmens kann nie zu gross eingeschätzt werden. Darum muss er im Plan für Wandel durch Innovation unbedingt als Faktor bedacht und maximiert werden.
Unternehmen können dabei viel richtig, aber auch ebenso viel falsch machen. Teil 2 unseres Artikels zum geplanten Wandel durch Innovation leuchtet darum für jeden Innovationsweg aus, was sich strategisch empfiehlt und wo Stolperfallen lauern.