Innovationen können einen strategischen Wandel in Unternehmen entscheidend begleiten oder durch ihren Erfolg auslösen. Die Bedingung dafür: Sie müssen vom frühesten Stadium des Innovationsmanagements auf den angestrebten Wandel bzw. strategischen Fortschritt des Unternehmens abgestimmt werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass aus der Unternehmensstrategie die Innovationsstrategie abgeleitet werden muss.
Wie in Teil 1 unserer Serie zum "Wandel durch Innovation" aufgezeigt, stehen hier im Wesentlichen drei Wege offen:
Der Innovationsansatz sollte immer von der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Um letztere bestmöglich zu unterstützen (oder um dafür sogar zum Gelingensgarant zu werden) müssen der Fit to Purpose und der Relative Vorteil der Innovation maximiert werden. Die dafür nötigen Schritte unterscheiden sich je nach Innovations- und Unternehmensstrategie deutlich.
Innovation als Wachstumstreiber
Innovation zur Strategiekorrektur
Innovation zur Geschäftsmodellkorrektur
Die Antwort darauf, welcher Weg der richtige ist, ergibt sich durch die Beantwortung zweier weiterer Fragen:
Wie soll die Innovation bzw. ihre Strategie den Purpose der Organisation stärken (Erhöhung des "Fit to Purpose"), und wie kann sie den Erwartungen der Zielgruppe bestmöglich gerecht werden (Erlangung eines "Relativen Vorteils")?
Es liegt auf der Hand, dass unterschiedliche strategische Ziele auch in unterschiedlichen Aktivitäten für die Stärkung des Fit to Purpose und des Relativen Vorteils münden. Schliesslich erfordert als Wachstumstreiber angeschobene Innovation deutlich andere Tätigkeiten (bzw. Dos und Dont‘s), als etwa Innovation zur Korrektur des Geschäftsfelds
Wir skizzieren im Folgenden, was im Bezug auf „Fit to Purpose“ und der „Relativen Vorteil“ zu beachten ist.
Wie Innovation zum Wachstumstreiber wird
Weist das bestehende Angebot einen hohen „Fit to Purpose” und einen “Relativen Vorteil” auf, können Innovationen strategisch als Wachstumstreiber auf den Weg geschickt werden. Das Ziel ist, durch kontinuierliche Innovationen im Kerngeschäft für bestehende Kunden relevant und unverwechselbar zu bleiben, gleichzeitig aber auch neue Kunden anzuziehen.
Eine der grössten Gefahren ist dabei die Unterfinanzierung von Innovationsvorhaben aus einer „Wir wissen ja bereits wie‘s geht“-Denke heraus. Unternehmen, die auf der Erfolgsstrasse den Spagat zwischen Einsparungen und einem „More of the same“-Ansatz proben, torpedieren Innovationsbemühungen doppelt. Neben dieser Klippe sollte vor allem eine zweite umschifft werden: das Innovator's Dilemma.
Was den "Fit to Purpose" stärkt
- Klare Segmentierung, um die Value Proposition individueller für Kund:innen umzusetzen
- Reibungspotenzial in der Customer Experience minimieren
- Modelle anbieten, die sich durch Recurring Revenue finanzieren
- Komplementärangebote, um Cross-Selling-Potenziale zu ermöglichen
Was einen "Relativen Vorteil" fördert
- Die Sicht- und Erlebbarkeit der Marke erhöhen, um Preismacht zu erlangen
- Betriebseffizienz durch Integration neuer Technologien steigern
- Potenziale im Partner-Ökosystem realisieren
- Wettbewerberübernahmen, um Marktanteile auszubauen
Wie Innovation eine Strategiekorrektur unterstützen kann
Verfügen Unternehmen in ihrem bestehenden Angebot über eine mässige Kombination aus „Fit to Purpose“ und „Relativen Vorteil“, müssen sie dies neu konzipieren. Hier können Innovationen eine starke Veränderung anstossen. Entscheidend dabei: Das Angebotsfundament wird nicht in Frage gestellt. Statt einer kompletten Neuausrichtung (Stichwort „Pivot“) erfolgt lediglich eine Strategieanpassung. Der Innovationsprozess sattelt daher nicht einfach etwas Neues „drauf“, sondern dient der sinnvollen Ergänzung oder Verbesserung des Bestehenden. Das inkludiert übrigens auch das Loslassen von ineffizienten bestehenden Prozessen und Aktivitäten.
Was den "Fit to Purpose" stärkt
- Kunden-Interaktion in der gesamten Customer Experience verbessern
- Ergänzende Angebote entwickeln
- Bestehende Angebote bündeln, um Convenience für Kunden zu erhöhen
- Weitere Vertriebskanäle ergänzen
Was einen "Relativen Vorteil" fördert
- Rolle in der Wertschöpfungskette neu definieren und ggf. verändern
- Bessere Wertschöpfung und höhere Margen ermöglichen, indem Funktionen / Organisationseinheiten konsolidiert werden
- Fähigkeiten oder Know-how ergänzen, die bestehende Stärken ausbauen
Wie Innovation eine Geschäftsmodellkorrektur ermöglicht
In der Tat ist ein grundlegender Neuanfang (in Form des Richtungs- und Marktwechsel eines etablierten Unternehmens oder in Form des Starts eines neuen Marktteilnehmers) durch Innovationen am chancenreichsten. Der Grund: Mit Innovationen geht man voraus, statt nur teilzunehmen.
Entsprechend hoch sind in diesem Fall allerdings die Anforderungen an die Veränderungskraft und den Nutzwert einer Innovation. Und das bedeutet: Inkrementelle Innovationen scheiden hier als Ansatz aus.
In diesem Sinne sind „Rote Ozeane“ zu meiden, wenn das Unternehmen dort lediglich nach bestehenden Normen handeln würde. Die Verschleisswirkung in einem kompetitiven Marktumfeld mit „blutigen“ Wettbewerbsschlachten (der rotfärbende Faktor im Marktozean) ist zu hoch, und ein Erfolg ist unwahrscheinlich. Anders sieht es aus, wenn ein solcher Markt durch einen disruptiven Innovationsansatz erobert werden soll. Mit entsprechender Planung des Fit to Purpose und angestrebten Relativen Vorteils kann die für einen Erfolg nötige Abkehr von bestehenden Normen gelingen.
Was den "Fit to Purpose" stärkt
- Mit bahnbrechenden Technologien Kundenbedürfnisse auf neue Art erfüllen
- Angebote entwickeln, die bei niedrigen (Einstiegs-)Kosten Nutzen und Komfort für Kunden erhöhen
- Aneignung von Fähigkeiten und Potenzialen, die ein neues Wertversprechen ermöglichen
Was einen "Relativen Vorteil" fördert
- Neuerfindung des Geschäftsmodells und des Kundenerlebnisses zur Erschliessung eines neuen Marktes für das Kerngeschäft ("blauer Ozean")
- Kollaborationspotenziale ausschöpfen, um gemeinsame Wertschöpfung mit vor- und nachgelagerten Partnern zu ermöglichen
Die “Make no little plans” Perspektive
Heisst das Beschriebene nun, dass Veränderung durch Innovationen gelingt, solange man nur einen Plan bzw. eine Strategie hat? Noch nicht. Grosse oder substanzielle Veränderungen erzielt Innovieren nämlich nicht durch das „Richtigmachen“ von Dingen, sondern dadurch, dass zum Richtigen noch Mut zum Risiko und den tatsächlichen Schritt ins Tun kommt.
Keinesfalls bedeutet es, definierte Strategien zu vernachlässigen. Nötig ist aber die Bereitschaft, Best Practice hinter sich zu lassen und selbst zum Benchmark zu werden. Und das kann erfordern, Grenzen zu ignorieren und Neuland zu betreten.
Übrigens: Auch ein solcher Aufbruch ist im Risiko strategisch kalkulierbar. Der «try, learn & adapt»-Ansatz und evidenzbasiertes Entscheiden machen es möglich.