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Das Innovator's Dilemma

Disruption nicht kommen zu sehen, ist eines der bedeutendsten Probleme grosser Player. Deren Fokus auf den Erhalt profitabler Marktsegmente führt sie in das “Innovator’s Dilemma”. Wir erklären, was in das Dilemma führt und es so verheerend macht.
Dead End Strassenschild

Der Kunde ist König. Dieser Satz gilt vielen als Postulat, wird aber oft stillschweigend durch Zusätze ergänzt: Der bestehende und profitable Kunde in margenstarken Marktbereichen ist König. Das klingt zwar nicht mehr so griffig, scheint aber immer noch vernünftig. Bis man dieser Aussage die Entscheidungen im Innovationshandeln unterwirft. Dann droht, was Innovationsguru Clayton Christensen das „Innovator’s Dilemma“ nennt. 

Was ist das Innovator's Dilemma? 

Keine Zeit für den ganzen Artikel? Kein Problem, hier das Wichtigste kurz und knapp.

Grosse Organisationen fokussieren mit Innovationen oft nur umsatz- und margenstarke Marktsegmente. Dabei vernachlässigen sie kleine Nischen. Andere Player können dort dann ungestört disruptive Angebote entwickeln und einführen. Werden diese erfolgreich, drängen sie auch auf Marktsegmente, die grosse Firmen bislang exklusiv bearbeiteten. So entsteht für die Big Player das Innovator’s Dilemma: Obwohl sie viel in Innovation investieren, können sie den Erfolg ihrer wendigen kleineren Konkurrenten nicht bremsen. Der Markt, den sie eigentlich durch ihre Innovation stärken wollten, bricht ein.

In Kurzform entsteht das Innovator’s Dilemma durch die volle Konzentration auf das Marktsichernde von Heute (augenscheinlich richtig) und das sich daraus ergebende Ausserachtlassen der disruptiven Kräfte von Morgen (langfristig verheerend). Wie kommt es dazu? 

Zur Klärung der Frage sind zwei Innovationsarten zu unterscheiden: 

  • Evolutionäre Innovation: Die Performance oder der Leistungsumfang von Services wird als zentraler Kundenwunsch gesehen und entsprechend fortlaufend graduell verbessert. Die Hoffnung ist, Kundenbedürfnisse zu befriedigen, dadurch für bestehende Kunden attraktiv zu bleiben und im Ergebnis Marktpositionen zu halten. Das Innovationsverhalten dahinter zielt darauf ab, gut oder besser als andere zu sein statt als Erster Neuland zu betreten. Typischerweise setzen grosse Unternehmen in etablierten Märkten auf evolutionäre Innovationen. 
  • Disruptive Innovation: Hier geht es um die Lösung von Bedürfnissen, die noch gar nicht geäussert wurden, die sich aber als Potenzial andeuten. Naturgemäss ist der Markt dafür klein oder wird sogar erst geschaffen. Disruptiv werden die Innovationen dadurch, dass ihr Lösungsansatz den bestehender Produkte überflüssig, technisch überfordernd, veraltet oder schlicht zu teuer erscheinen lässt. Die Fähigkeit, für disruptive Innovationen neu und experimentell zu denken sowie Trial & Error zuzulassen, zeichnet kleine Organisationen aus. Ihnen ist Erster zu sein wichtiger als gut zu sein.

Das Bemerkenswerte am Innovator’s Dilemma ist, dass es

  • erst durch die Wesensarten der evolutionären Innovationen angekurbelt wird und  
  • dann durch die Sprengkraft der disruptiven Innovationen explodiert.  
Ein Computerbildschirm mit dem Netflix-Logo

Das Ankurbeln des Innovator’s Dilemma

Das Hinzufügen innovativer Features oder Services zu eingeführten Produkten soll bestehende Kunden zufrieden stellen. Tatsächlich erreicht es aber unter Umständen das Gegenteil: Statt höhere Preise für Fortschritt zu zahlen (den sie nicht verlangten), haben Kunden einen Anreiz, irgendwann nach einfacheren, günstigeren Produkten suchen. Marktanteile brechen noch nicht weg (weil es noch keine Alternativen gibt). Das Dilemma nimmt aber langsam Fahrt auf.

Einige Marktetagen tiefer entstehen nämlich Alternativen – die disruptiven Entwicklungen. Da diese aber noch im Versuchsstadium, fehlerhaft oder qualitativ unzureichend sind, werden sie nicht als Bedrohung der Etablierten eingeordnet. Die margenschwachen und kleinen Randbereiche des Marktes, die damit angegriffen werden, scheinen den grossen Playern „verschmerzbar“.

Hinzu kommt, dass Etablierte oft ablehnen, in die Verteidigung weniger profitabler Geschäftsbereiche zu investieren. Ebenso folgen sie der Angst vor hausgemachter Kannibalisierung: Die Entwicklungen von leistungseingeschränkten, dafür aber günstigeren Produkten, wird verteufelt.

Das Explodieren des Innovator’s Dilemma 

Zur Explosion des Innovator’s Dilemma kommt es in dem Moment, in dem sich die Masse der Kunden einer Neuheit zuwendet. Gegen das Angebot „gezielte Lösung relevanter Probleme auf revolutionäre Art für einen attraktiven Preis“ verblassen bestehende teure Modelle. Die Nachfrage nach der disruptiven Neuheit zieht sie von margenschwachen Nischen in den profitablen Massenmarkt.

Hier werden die disruptiven Innovationen dann endlich auch von den Grossen als praktikable Alternativen erkannt. Ehemals „verschmerzbar“ wird damit zu „lebensbedrohend“ – zum Handeln ist es aber zu spät. Unternehmen, die eigentlich Platzhirsche sind, können nur noch in Deckung gehen, sind aber nicht flexibel genug, durch eigene Innovationen schnell genug zu antworten. Einst in Führung liegend, verpassen sie den Zug in die Zukunft. Mit allen Konsequenzen.

Ein Labyrinth aus Gebäudemauern

Was löst das Innovator’s Dilemma?

Zur Wahrheit gehört: Wer sich bereits in dem Dilemma befindet, wird es kaum lösen können. Es geht also vielmehr darum, dem Dilemma vorzubeugen. Entscheidend dafür sind Aufmerksamkeit und Offenheit. Unternehmen müssen in der Lage sein, aufstrebende, potenziell disruptive Innovationen zu identifizieren und sowohl nach Gefahren- wie auch nach Chancenpotenzial für sich selbst einzuordnen.

Das muss nicht zwangsläufig zur Abkehr von evolutionären Innovationen führen. Was aber zum Muss wird, ist die Prüfung, wie fähig man ist, neue Geschäftsmodelle anzunehmen, Disruption selbst voranzutreiben und die eigene Organisationskultur in diesem Sinne auch einer neuen Innovationskultur zu öffnen.