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Hey Kunde, wer bist du eigentlich? Teil 2: Von der Mühsal, Personas zu erstellen

Sind die traditionellen Methoden der Persona-Erstellung empfehlenswert? Nein. Teil 2 unserer Persona-Serie erläutert, warum ihre Ergebnisse den hohen Zeit- und Kostenaufwand nicht wert sind und stellt eine Alternative vor: Spiegel-Personas.
Ein verschneiter Hang 2

Keine Frage: Personas können im Designprozess den Unterschied zwischen „Zielgruppe getroffen“ und „Leider vorbei“ machen. Ihre Art, Kunden exemplarisch zu charakterisieren und damit fassbar zu machen, vereinfacht Designprozesse, weil sie Richtungen weist (wer ist der Kunde und was will er?) und damit auch ein Ziel vorgibt (Kunden-Charakteristika und -bedürfnissen bestmöglich gerecht zu werden).  

Leider gilt: Je näher man dabei dem tatsächlichen Wesen einer Zielgruppe kommen möchte, desto mehr und bessere Daten müssen in dieser Zielgruppe erhoben werden. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Denn zumindest wer den tradierten Methoden der Personafindung folgt, macht sich auf einen sehr beschwerlichen und fehleranfälligen Weg.  

Keine Zeit für den ganzen Artikel? Kein Problem, hier das Wichtigste.

Die tradierten Methoden, Personas zu erstellen, gliedern sich in zwei Ansätze. Beim Weg über qualitative Daten clustern manuelle Analysetechniken Anwenderverhalten. Das ist arbeitsaufwändig und anfällig für menschliche Fehler durch subjektive Datenbeurteilung. Wird stattdessen auf halbautomatisches quantitatives Clustering gesetzt, können passende Techniken innerhalb der Datensätze Muster offenlegen, die sonst unerkannt bleiben. Das erfordert allerdings eine breite Datenbasis und bindet enorme Ressourcen. Die perfekte Alternative sind Spiegel-Personas: maschinell erstellt mit Daten aus der digitalen Welt, vollständig evidenzbasiert und mit geringerem Aufwand generierbar.

Ein genauerer Blick auf diese tradierten Methoden der Persona-Erstellung verdeutlicht, warum das so ist. 

Persona-Erstellung mittels qualitativer Daten

Bei dieser Methode sammelt man in Interviews oder Beobachtungen qualitative Daten darüber, wie Anwender:innen eine vorgegebene Lösung nutzen oder welche Interessen verschiedene Gruppen zeigen. Basierend darauf werden Anwender:innen dann mit manuellen Techniken wie Affinitätsdiagrammen oder Kartensortier-Übungen gruppiert (z.B. nach der Aschenputtel-Methode „Nutzer:in mit Interesse an Feature A ins eine Töpfchen, Nutzer:in mit Interesse an Feature B ins andere“).  

Einige Personen, die eine Persona auf Papier erstellen.
Die Erstellung von Personas im Workshop-Stil birgt konzeptionelle Schwächen.

Die Nachteile dieser arbeitsintensiven Clustering-Methoden sind systemimmanent:  

  • Tiefe Einblicke ins Anwenderverhalten brauchen eine breite Datenbasis. Je breiter diese allerdings wird, desto schwerer fällt es menschlichen Experten, objektive Urteile zu fällen und Ergebnisse auf Anwenderdaten zurückzuführen. Reflexhaft neigt man darum in der Praxis dazu, sich auf wenige Benutzer zu konzentrieren. Der Durchführbarkeit wird die Validität geopfert. 
  • Manuelle Clustering-Methoden binden enorme Ressourcen und verlangen Erfahrung in qualitativen Forschungsmethoden. Sie sind darum (zu) zeit- und kostenintensiv. 

Persona-Erstellung mittels quantitativer Daten

Die reine Datenerhebung via Anwendungs- und Verhaltensbeobachtung bleibt gleich. Die Auswertung der Daten erfolgt allerding über ein halbautomatisches quantitatives Clustering. Techniken wie explorative Faktorenanalyse, Hauptkomponentenanalyse und multivariate Clusteranalyse legen innerhalb der Datensätze evidenzbasierte Muster offen.  

Der Vorteil: Die genannten Analysetechniken offenbaren Beziehungen zwischen mehreren Variablen (und damit Muster in Benutzerdaten), die bei händischer Analyse möglicherweise nicht auffallen. 

Die Sache mit „Garbage In, Garbage Out“  

Also „Bitte einmal halbautomatisches quantitatives Clustering für alle“? Kaum. Denn auch wenn diese Methode nach dem perfect match aus weniger Aufwand bei besseren Ergebnissen klingt: Sie ist es nicht. Dafür sorgen zwei miteinander verknüpfte Probleme, die nicht ignoriert werden dürfen:  

  • Analog zum GIGO-Konzept der Informatik ist die Informationsausgabe nur so solide wie die Dateneingabe. Schlechte Daten (Garbage In) sorgen für schlechte Ergebnisse (Garbage Out). So hilft etwa bei einer Datensammlung im falschen Format (z. B. per Ja/Nein-Antworten statt einer Ordinalskala von 1 bis 10) selbst die fortschrittlichste Datenverarbeitungstechnik nicht weiter.  
  • Die Arbeitserleichterung durch halbautomatische Datenauswertung wird durch die enorm zeit- und aufwandsintensive Erstellung des zu analysierenden Datensatzes egalisiert. Um es auf den Punkt zu bringen: Die meisten Unternehmen scheuen den Aufwand, der für die Konzeption qualitativ hochwertiger Fragebögen (und ihr Mass an Detaillierung und Umfang) nötig ist. Ganz zu schweigen davon, dass selbst der beste Fragebogen erst dann etwas bringt, wenn ihn eine repräsentative Anzahl von Kunden oder Nutzern ausfüllen.
Ein Mann, der an einem Schreibtisch sitzt und Graphen analysiert
Die Ableitung von Personas aus grossen Datensätzen ist aufwändig und teuer.

Aufwandsintensive Persona-Erstellung bleibt dem Marketing vorbehalten  

Was bleibt angesichts dieser Erkenntnisse über die Aufwands- und Ressourcenintensität qualitativer und quantitativer Methoden? Am ehesten die grosse Wahrscheinlichkeit, dass sie sehr sparsam eingesetzt werden. Denn was (um es auf den Punkt zu bringen) so viel Geld kostet, wird in den meisten Fällen nur für Marketing-Personas angewendet, weil diese den Kundenstamm (also die vermeintlich wichtigste Grösse im Unternehmensalltag) aufschlüsseln.

Das Problem dabei: Was passiert in all den Fällen, in denen AUSSERHALB des Marketings Personas von Interesse sind? Wie erstellt man zum Beispiel User-Personas zur Optimierung eines Plattform-Frontends oder eines Mitarbeiter-Tools? Ein simples „Pech gehabt, ist nicht drin“ darf hier nicht das Ende vom Lied sein.

User-Personas: Warum nicht in die digitale Welt ausweichen?

Um es vorweg zu nehmen: Die Lösung liegt ganz sicher nicht in den beliebten halbtägigen Workshops, die durch einige Nutzerinterviews ergänzt und mit der guten Hoffnung abgerundet werden, kraft einer peppigen Ergebnispräsentation die mangelhafte Durchführung zu kaschieren.

Stattdessen empfiehlt sich der Blick in eine andere Welt: die digitale. Im Vergleich zur physischen bietet sie ein Paralleluniversum aus Daten, die Nutzer online durch ihr digitales Agieren hinterlassen. Was wäre, wenn diese Daten gesammelt werden könnten, um die Persona-Erstellung zu optimieren? Ein Schlaraffenland würde entstehen.

Korrektur: Das Schlaraffenland besteht bereits. Man muss es nur betreten.

Die digitale Welt: das Schlaraffenland der Persona-Erstellung

In der Tat wirken die vielen Vorteile von Daten aus der digitalen Welt wie reife Früchte, die man für die Erstellung wertvoller Personas nur noch zu abzupflücken braucht: 

  • Kundenverhalten kann in Echtzeit 24/7 verfolgt und analysiert werden. 
  • Neben Bewegungsmustern können auch Denk- und Suchmuster erkannt werden. 
  • Das Kundenagieren ist real und wird nicht in Testsituationen simuliert. 
  • Die Datenerfassung und -analyse verlässt die digitale Welt nicht und kann darum maschinell erfolgen. 
  • Bestehende Methoden wie Maus-Tracking erlauben, Klickverhalten in numerische Koordinaten auf einer Zeitachse zu transformieren. Eine Maschine mit unüberwachten Lerntechniken aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz kann das wiederum "verstehen" und Nutzer entsprechend clustern. 
  • Verhaltensdaten (das Was) können mit demografischen Anwenderdaten (dem Wer) angereichert werden. 

Spiegel-Personas liefern die Qualität, die wirklich gebraucht wird  

Im Ergebnis wird es möglich, bei vergleichsweise geringem Aufwand Personas zu designen, die vollständig evidenzbasiert und repräsentativ sind. Oder anders gesagt: Personas erreichen endlich die Qualität, mit der sie für Entwicklungsprozesse wirklich wertvoll werden.  

Wegen ihrer exakten Wiedergabe von Benutzeraktivitäten bezeichnet HudsonGoodman diese Art von Personas als Spiegel-Personas. Auf sie gehen wir im dritten Teil unserer Serie zu Personas ein.  

Interesse? Hier geht es zum ersten und dritten Teil der Serie

Interesse an der Entstehungsgeschichte und allgemeinen Herausforderungen in der Konzeption von Personas?
Hier geht es zum ersten Teil der Serie über evidenzbasierte Personas. Und hier geht es zum dritten Teil – Digitale Anwenderdaten in evidenzbasierte Spiegel-Personas verwandeln.